Samstag, 24. Januar 2009
 
Schubhaft trotz legaler Einreise PDF Drucken E-Mail
Geschrieben von Michael Genner, Asyl in Not   
Samstag, 28. Juli 2007

Der Halbösterreicher Herr D., seine Gattin und deren 18jährige Tochter lebten in Kaliningrad; Herrn D.'s Mutter war Österreicherin und ist 1938 nach Russland gegangen. Herr D. flüchtete nun mit seiner Familie den umgekehrten Weg. Seit einem Monat sind aller drei in Schubhaft.
[UPDATE 31.7.07: "Dublin" reicht nicht aus — UVS sagt: Schubhaft war rechtswidrig]


Welche Probleme er zu Hause hatte und warum, wissen wir nicht genau; er soll mit dem Tod bedroht worden sein. Aber darum geht es hier nicht.

Herr D., Frau und Tochter haben gültige Reisepässe. Mit Visa für Polen, wo er gearbeitet hatte. Sie fuhren mit dem Auto nach Österreich und erreichten am 27. Juni 2007 unser gastfreundliches Land. Sie wiesen sich am Grenzübergang Kittsee mit ihren Pässen aus und beantragten Asyl. Sie wurden sofort festgenommen.

Die Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See (in Gestalt eines Beamten namens Goldenits) verhängte mit Bescheid vom 28. Juni 2007 über alle drei die Schubhaft. Begründung: Sie seien illegal (!) eingereist. Daher sei die Annahme gerechtfertigt, dass ihr Aufenthalt in Österreich die öffentliche Ordnung gefährde. Für das Asylverfahren sei nicht Österreich, sondern Polen zuständig.

Seit damals sitzen die drei im Polizeigefängnis Eisenstadt. Auch das 18jährige Mädchen. Dunsten lassen! Das ist die Devise der Behörden. Erst am 25. Juli, nach einem Monat Haft, wurden sie vom Bundesasylamt, Erstaufnahmestelle Ost, einvernommen. Herr D. gab zu Protokoll: "Es kränkt mich, dass österreichische Landsleute mich nach Polen jagen wollen." Er habe daher den Entschluss gefasst, nach Kaliningrad zurückzukehren.

Offenbar wiegen für ihn die Gefahren, die ihm dort drohen könnten, geringer als das Leid und die Demütigung, die ihm zugefügt wurden durch seiner Mutter ehemaliges Heimatland.

Gestern habe ich durch Zufall vom Schicksal dieser Familie erfahren. Sie haben mir Vollmacht erteilt, ich habe Haftbeschwerden an den Unabhängigen Verwaltungssenat Burgenland eingebracht und erwarte, dass sie raschestens auf freien Fuß gesetzt werden.

Die Familie hatte sich aus freien Stücken der Grenzkontrolle gestellt, ihre Pässe mit den polnischen Visa gezeigt und Asyl beantragt. Sie sind daher nicht illegal, sondern legal eingereist. Es bestand daher nicht der geringste Grund zur Annahme, sie würden sich dem Verfahren entziehen. Die Verhängung der Schubhaft ist daher ein reiner Willkürakt.

Die Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See ist uns seit langem bekannt und ein besonderes Nest, das ausgeräumt gehört – analog zum Bundesasylamt, Außenstelle Eisenstadt.

Auch diese Causa zeigt (wie vor kurzem der Fall des Tschetschenen, den Eisenstadt deportieren wollte) die Notwendigkeit einer gründlichen Reform der Beamtenschaft. Österreich muss wieder Asylland werden. Die Menschenrechte müssen wieder gelten in diesem Land.


Update:

Dieser Beschwerde hat der Unabhängige Verwaltungssenat Burgenland nun Folge gegeben und die Schubhaft für rechtswidrig erklärt. Aus dem UVS-Erkenntnis:

Der Dublin-Bezug "allein reicht, wie sowohl der Verfassungsgerichtshof als auch der Verwaltungsgerichtshof mehrfach ausgeführt haben, nicht zur Schubhaftverhängung. Vielmehr besteht in jedem Einzelfall die Verpflichtung zu beurteilen, ob (...) der Bedarf zur Verfahrenssicherung mittels Anhaltung in Schubhaft überhaupt gegeben und ob die Anhaltung in Schubhaft verhältnismäßig ist.

"Dazu hat der Verfassungsgerichtshof ausgesprochen, daß selbst die Asylantragstellung in einem anderen Staat für sich genommen noch nicht ausreichend ist, eine Anhaltung in Schubhaft zu begründen. Die Hinweise der BH Neusiedl, daß die Beschwerdeführer sich zuvor bereits in Polen und der Slowakei aufgehalten hätten, vermochten somit die Schubhaft nicht zu tragen.

"Es kam hervor, daß die Beschwerdeführer sich an der Grenzkontrollstelle Kittsee freiwillig der Einreisekontrolle stellten, sich dem Risiko einer (noch vor Asylantragstellung möglichen und zulässigen) Zurückweisung aussetzten und anlässlich der von ihnen herbeigeführten Kontaktaufnahme Asylanträge stellten. Die Beschwerdeführer suchten somit aktiv die Hilfe von Polizeibeamten und trachteten nicht, anlässlich ihrer Einreise solchen zu entgehen." (...)

Daher "waren die Schubhaftverhängungen als auch die bisherigen Anhaltungen in Schubhaft antragsgemäß für rechtswidrig zu erklären."

Quelle und Kontakt:
Asyl in Not

www.asyl-in-not.org
Tel.: 408 42 10-15; 0676 - 63 64 371

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